Was das Motoröl über den Gebrauchten verrät
Bei Gebrauchtfahrzeugen ist der Motor immer ein Risikofaktor – spätere Defekte sind unvorhersehbar. Doch ein Profiblick ins Altöl ist fast wie eine DNA-Analyse. Und bezahlbar ist der Ölcheck auch.
Bei dem gebrauchten KFZ scheint alles zu passen: Lackfarbe, Klimaanlage als Sonderausstattung, kein bisschen Rost – aber was, wenn mit dem Motor etwas nicht stimmt? Ein 22 Jahre alter Gebrauchtwagen mit 70.000 Kilometer Laufleistung ist schließlich ein Buch mit sieben Siegeln.
Niemand weiß, was die Vorbesitzer damit angestellt haben, ob sie regelmäßig Öl und Filter wechseln ließen, ob sie den Motor vorsichtig warm gefahren haben. Der Kaufinteressent will aber nicht die Katze im Sack kaufen – und entscheidet sich für einen Blick in den Motor.
Motoröl verrät wie Blut viel über die Lebensweise
Beim Autokauf ist es nicht viel anders als in der Liebe: Die inneren Werte sind am Ende ausschlaggebend für die Stabilität der Beziehung. Was nützen der schniekeste Lack und das heißeste Fahrgestell, wenn der Antrieb nicht mitmacht?
Je mehr ein Auto gelaufen hat, desto größer das Risiko versteckter Verschleißschäden. Wer einen älteren Gebrauchten oder einen Youngtimer mit ungewisser Vergangenheit und hoher Laufleistung erwirbt, läuft also Gefahr, unfreiwillig gleich noch den Motorschaden mit zu kaufen.
Bisher galt: Der Blick in den Motor eines Autos ist ebenso unmöglich wie ins Herz der Geliebten. Doch heute ist das anders – zumindest bei den Autos. Denn der Blick aufs Motoröl erlaubt vielfache Rückschlüsse auf den Motor.
Auch hier hilft die Analogie zum menschlichen Herzen: So wie uns ein Blutbild viel verrät über Lebensweise, Fitness und Ernährung eines Menschen, so zeigt die Analyse des gebrauchten Motoröls den Verschleiß- und Pflegezustand der Maschine.
Der gebrauchte Wagen erhält vom Labor eine “Warnung!
Im Falle des gebrauchten KFZ ist das aufschlussreich: Der Käufer erwirbt den Youngtimer unter Vorbehalt und lässt sofort einen Ölwechsel durchführen. Vom Altöl füllt er ein Probefläschchen ab und schickt es ins Labor. Diesen Service übernimmt bei uns Oelcheck, ein mittelständisches Unternehmen in Brannenburg.
Schon zwei Tage später ist das Ergebnis per E-Mail da: “Warnung!” steht als beunruhigende Überschrift auf dem Analysebericht. “Der Wassergehalt ist höher als normal.”
Wer sich ein wenig mit Motoren beschäftigt, dürfte durch diesen Befund alarmiert werden: Wasser im Motoröl kann auf eine defekte Zylinderkopfdichtung hindeuten, durch die Kühlwasser in den Ölkreislauf gelangt. Das verlangt nach einer neuen Kopfdichtung, die Reparatur kostet über 1.000 Euro.
Wasseranteil durch häufige kurze Fahrten
Doch zum Glück für den Käufer liegt die Ursache woanders: “Kondensatbildung z.B. durch Kurzzeitbetrieb” nennt der Laborbericht als mögliche Ursache für den hohen Wassergehalt im Öl. Die Erstbesitzerin, eine Bäckereibesitzerin, fuhr den Mercedes jahrelang auf Kurzstrecken vom Wohnhaus zur Bäckerei und zurück.
Das erklärt den Wasseranteil: Die Maschine erreichte auf diesen Mini-Distanzen nie Betriebstemperatur, so dass Feuchtigkeit, die bei der Verbrennung entsteht, nicht wieder vollständig aus dem Öl ausdampfen konnte. Auch das ist schlecht fürs Motoröl. Ansonsten sind die Ergebnisse akzeptabel: “Verschleißwerte liegen innerhalb des normalen Bereichs”.
“Man darf sich natürlich nie allein auf die Ölanalyse verlassen”, sagt der Oelcheck-Prüfingenieur Steffen Bots. Vielmehr müsse das Ergebnis als ein Puzzlestück verstanden werden, dass mit weiteren Dokumenten – zum Beispiel Scheckheft und alten HU-Berichten – ein schlüssiges Gesamtbild ergeben kann.
Oelcheck prüft 30.000 Windräder jährlich
Oelcheck mit heute etwa 50 Mitarbeitern hat sich seit 1991 auf dem europäischen Markt einen Ruf als Spezialist erworben. Vor allem im Industriebereich mit Ölfüllungen von bis zu 10.000 Litern. So analysiert Oelcheck jedes Jahr Ölproben von 30.000 deutschen Windkraftanlagen.
Auch Turbinen, Baggerhydraulik und Druckmaschinen werden von den Brannenburgern regelmäßig einem Aderlass unterzogen. “Je kostenintensiver eine ungeplante Wartung ist, desto wichtiger wird die präventive Ölanalyse”, sagt Paul Weismann, Geschäftsführer von Oelcheck. Endkundengeschäft betreibt das mittelständische Unternehmen quasi nebenbei.
“Natürlich können wir keine Kaufempfehlung geben”, schränkt Prüfingenieur Bots ein. Doch die Ölanalyse erlaubt recht deutliche Hinweise auf den aktuellen Verschleißzustand des jeweiligen Motors. “Erst letzte Woche kam die Ölprobe eines Privatmannes, der sich einen BMW M3 kaufen wollte.” Da gerade bei sportlichen Autos die Gefahr hoch ist, dass Vorbesitzer sie über Gebühr strapazierten, schien hier ein Blick in den Motor zwingend.
Sogar längere Standzeit beim Händler “erkennbar”
Das Ergebnis fiel positiv aus. Durch den Zustand des Motorenöles konnte sogar eine längere Standzeit des Fahrzeuges belegt werden. “Ich habe dem Kunden schließlich gesagt: Von meiner Perspektive aus würde ich den Wagen kaufen.” Basis für die Bewertung ist eine Datenbank mit mehr als 10.000 Kfz-Ölanalysen, auf die Oelcheck zurückgreifen kann. Je mehr Analysen angefertigt werden, desto zutreffender die Resultate.
Oft melden sich Eigentümer, deren Maschine Schaden genommen hat, um nachträglich die Ursache zu eruieren. “Materialermüdung ist leider nur sehr schwierig anhand des Öls nachweisbar”, sagt Steffen Bots. Ein weiteres Problem: Überhitzung des Motors schädigt auch das Öl.
Doch den Pflegezustand kann die Analyse ebenso regelmäßig herausfinden wie manche Manipulation aufdecken. Oelcheck sieht alles: “Mitunter wird Frischöl nachträglich eingefüllt, darauf weisen wir im Prüfbericht natürlich hin.”